Nach jetziger Rechtslage entstehen in Erbfällen mit EU-Auslandsbezug häufig unklare und komplizierte Verhältnisse. Denn durch die uneinheitlichen Regelungen der verschiedenen Staaten finden vielfach gleich mehrere Erbrechtsordnungen Anwendung, die zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Verstirbt beispielsweise ein deutscher Staatsangehöriger mit Immobilienbesitz in Frankreich, gilt nach französischem Recht mit Blick auf die Immobilie das Recht des Belegenheitsortes, also das französische Recht. Dagegen wird das in Deutschland befindliche Vermögen sowie das bewegliche Vermögen in Frankreich nach deutschem Recht vererbt.
Diese Situation soll durch die Erbrechtsverordnung verbessert werden. So ist künftig weder die Staatsangehörigkeit des Erblassers noch die Belegenheit einer Immobilie entscheidend. Vielmehr richtet sich das anzuwendende Erbrecht ausschließlich nach dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers. Nach dem in diesem Staat geltenden Recht wird das gesamte Vermögen des Erblassers vererbt. Boris Pulyer von der Landesnotarkammer Bayern weist darauf hin, dass dies insbesondere für deutsche Erblasser, die noch in fortgeschrittenem Alter ihren gewöhnlichen Aufenthalt in ein anderes Land verlegen, zu Überraschungen führen kann. Denn viele deutsche Erblasser gehen aufgrund des momentan in Deutschland noch geltenden Staatsangehörigkeitsprinzips davon aus, dass auf ihren Erbfall deutsches Recht Anwendung finden wird. Ist dies nach der neuen Erbrechtsverordnung nicht der Fall, weil der Erblasser nunmehr im EU-Ausland lebt, kann dies zu vom Erblasser nicht gewollten Ergebnissen führen, wenn beispielsweise das materielle ausländische Recht ein anderes gesetzliches Erbrecht oder andere Pflichtteils- bzw. Noterbrechte vorsieht.
Um dies zu vermeiden, räumt die Verordnung die Möglichkeit ein, eine Rechtswahl zu Gunsten des Rechtes des Staates, dem die Person im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt des Todes angehört, vorzunehmen. Die Rechtswahl muss in Form einer Verfügung von Todes wegen erfolgen. Wird diese von einem Notar beurkundet, kann dieser zugleich über verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten beraten.
Da die Verordnung auch auf „Alttestamente“, d. h. solche, die vor dem 17. August 2015 errichtet wurden, Anwendung findet, empfiehlt es sich, bestehende Verfügungen von Todes wegen – insbesondere solche, in denen über Auslandsimmobilien verfügt wird – daraufhin zu überprüfen, ob aufgrund der Verordnung Anpassungsbedarf besteht.
Schließlich bringt die Verordnung mit der Einführung des „Europäischen Nachlasszeugnisses“ eine weitere wesentliche Neuerung gegenüber der bisherigen Rechtslage, erläutert Pulyer. Mit Hilfe des Nachlasszeugnisses, das dem deutschen Erbschein ähnelt, kann die Stellung als Erbe, Vermächtnisnehmer, Nachlassverwalter oder Testamentsvollstrecker nachgewiesen werden. Das Nachlasszeugnis, das neben den nationalen Erbschein tritt, erleichtert damit in grenzüberschreitenden Fällen das formale Prozedere, da keine nationalen Dokumente der verschiedenen Staaten mehr beschafft werden müssen.